Die Zietenhusaren - Rathenow - Geschichte und Geschichten - Wilhelm Wendt

Wie ich Zietenhusar wurde und anstatt zur 1. zur 5. Schwadron kam.

Von Wilhelm Wendt.

Aus dem Manöver kommend, war im Spätsommer 1894 die 1. Schwadron der Zieten-Husaren in einem Dorf bei Nauen einquartiert. Zu dieser Zeit weilte ich in dem Orte auf Besuch und nahm Gelegenheit, mit den Husaren in freundschaftlicher Verbindung zu kommen. Mit Begeisterung nahm ich alle Erklärungen der Husaren entgegen und mit Bewunderung beäugte ich, was alles zu einem Zieten-Husaren gehörte: Pferd, Sattelzeug und Waffen. Als ich dann eine Lanze in der Hand abwog und betrachtete, sagte ein Husar zu mir: "Hier paß mal auf!" Er nahm die Lanze und warf sie mit einem kurzen Schwung nach oben, so daß sie mit der Spitze im Querbalken der Scheune stecken blieb. "So", sagte er dann zu mir, "nun kannst du dich daran hängen." Erst wollte ich nicht glauben, daß die Lanze wirklich so fest stecken sollte. Da das Schuhende aber fast zu erreichen war, mir also die Sache ungefährlich erschien, wenn die Spitze nicht festhalten sollte, tat ich einen leichten Hochsprung und hing wirklich an der Lanze. Als Turner bekam ich jetzt Lust, an der Lanze bis zum Balken hochzuklettern, aber damit waren die Husaren nicht einverstanden, jedenfalls weil sie fürchteten, mir könnte etwas passieren. An diesem Tage lernte ich die Husaren Fritz Strube und Friedrich Baurath kennen und gewann in ihnen zwei Freunde.

Ich stand zu der Zeit im zwanzigsten Lebensjahre und wurde im nächsten Frühjahr (1895) "gestellungspflichtig". Von dem Gedanken, auch Zieten-Husar zu werden, kam ich jetzt nicht mehr los. Immer wieder bat ich deswegen meinen Vater darum, zu erlauben, mich noch vor der Musterung in Rathenow freiwillig melden zu dürfen. Er lehnte jedesmal energisch ab: "Gibt es nicht, unabkömmlich in der Wirtschaft!", so ungefähr lautete immer seine Antwort. Auch zwei Vettern meines Vaters, ehem. Zieten-Husaren, und unser Ortspolizist Brünner, ehem. Zietentrompeter, vermochten bei ihm nichts für mich zu erreichen.

Als der Musterungstag heranrückte und ich von Hause fortging, sagte ich zu meinem Vater: "Es ist mir ganz egal, ich melde mich einfach und sage, ich möchte Zieten-Husar werden." Mein Vater lachte mich aus und sagte: "Denk'ste; glaubst wohl, man wartet schon auf dich!" Im Schützenhaus zu Werder: Rekrutenmusterung! Bei allen Musterungspflichtigen merkte man Erwartung und Spannung. Was wird man mit dir machen? Bald mußte ich aufgerufen werden, und da hörte ich auch schon unsern Polizisten rufen: "Wendt, fertigmachen, als nächster kommen Sie heran." Darauf fragte ich ihn: "Was meinen Sie, Herr Wachtmeister, ob ich es wirklich fragen darf, daß ich Zieten-Husar werden möchte?" Er: "Na und ob, ohne weiteres!" Bald bin ich dran und stehe in strammer Haltung vor der Musterungskommission. Untersuchung wie üblich. Da hörte ich: tauglich, leichte Kavallerie! Mir steigt der Mut und ich sagte: "Ich möchte gerne nach Rathenow zu den Zieten-Husaren!" Keine Antwort erfolgt. Als ich darauf den Saal verließ, trug ich ein recht gemischtes Gefühl mit hinaus. Als ich so nachdenkend im Begriff war, mich anzukleiden, kam plötzlich von der Saaltür der Ruf des PolizistenBrünner: "Wendt, schnell noch mal reinkommen!" Schnell war ich wieder im Saal. Hier höre ich eine helle militärische Stimme fragen: "Welchen Wunsch hatten Sie?" "Ich möchte nach Rathenow, zu den Zieten-Husaren. weil zwei Onkel von mir, die Zieten-Husaren waren, es wünschen." Man betrachtete mich nochmals von vorn und hinten und mit einem Klatsch auf die backe hörte ich dieselbe Stimme: "Kerl, wie geboren zum Husaren!"

Dieser Musterungstag war bis dahin einer der schönsten Tage meines Lebens, denn daß noch bessere kommen könnten, durfte ich wohl nicht mehr hoffen. Dieser Freudentag wurde ganz besonders gefeiert, besungen und "naß" gemacht. Glückselig kam ich abends zu Hause an. Als ich freudentrunken berichten wollte, winkte mein Vater ab: "Ich bin im Bilde, ich weiß schon alles!" Selbstverständlich hatte ich nach der Musterung sofort die zukünftigen Zietenkameraden Strube und Baurath benachrichtigt und nach Werder eingeladen, um die "Angelegenheit" hier würdig feiern zu können. Sie kamen und es wurde ein schöner Tag! Und mein Vater? Er war freundlich, stolz und großzügig. Er war von meinen beiden Onkels und unserem Zietentrompeter Brünner entsprechend bearbeitet worden.

Die Zeit der Einberufung rückte näher und ich zählte die Tage, wie nachher im dritten Dienstjahr vor der Entlassung. Endlich, 5 Tage vor der Einberufung, erhielt ich meine "Ordre". Am 30. September 1895 kam ich dann mit dem Kammeraden Kabler (1. Schw.), Fritze und Rädler (3. Schw.) und Bussas (4. Schw.) in Rathenow an. Nach meiner Ankunft suchte ich die Kammeraden Strube und Baurath auf und da ich auch gerne zur 1. Schwadron wollte, brachten beide mich zum Wachtm. Kricheldorf, der mich für die 1. Schwadron vormerkte. Als wir Rekruten dann zur Verteilung aufgestellt waren, kam ein Rittmeister mit einem dicken Wachtmeister vor der Front entlang und fragte mich, ebenso wie jeden anderen Rekruten: "Was sind Sie, und haben Sie sich zu einer Schwadron gemeldet?" Als ich angab, daß ich Obstgärtner sei und mich zur 1. Schwadron gemeldet hätte, traten der Rittmeister und der Wachtmeister einige Schritte zur Seite, sprachen miteinander und gingen fort. Nach einiger Zeit ging die Verteilung vor sich. Es wurden zuerst die aufgerufen, die sich zu den Schwadronen gemeldet hatten. Doch vergeblich wartete ich, zur 1. Schwadron aufgerufen zu werden. Enttäuschung, ich gehörte nachher zu dem Rest, mit der die Schwadronen aufgefüllt wurden, und kam zur 4. Schwadron. Als ich mich hier bei dem Häuflein für die 4. Schwadron aufstellen mußte, war auch schon der dicke Wachtmeister von vorhin da und sagte: "Du, stell dich mal hierher, und du", sagte er zu einem andern, "gehst hier her." Schon war es geschehen, ich war nicht zur 1. und nicht zur 4., sondern zur 5. Schwadron gekommen und warum erfuhr ich bald darauf, als der Rittmeister zu mir kam und sagte, ich sollte sein Gärtner sein. ...

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Gekürzte Fassung des Originalartikels.
Quelle: Zieten-Husaren / Nachrichtenblatt Nr. 63, Berlin, März 1941, 16. Jahrg.

Neujahresgruß 31.12.1897 vom Husaren Wendt an Karl Wendt in Friedenau (Berlin)

  

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